Introvertierte und extrovertierte Menschen haben völlig unterschiedliche Energiehaushalte und verhalten sich dementsprechend unterschiedlich. Leider führt das immer wieder zu Situationen, in denen extrovertierte Menschen die leisen Menschen missverstehen. Bevor aus diesem Missverständnis falsche Schlüsse abgeleitet werden, lies dir diese 3 klassischen Situationen durch, die erklären, warum sich Introvertierte verhalten, wie sie sich verhalten.
1. Situation: Warum steht sie so abseits?
Klassisches Szenario Nummer 1 für ein riesiges Missverständnis zwischen Introvertierten und Extrovertiertem ist eine Ansammlung mehrerer Menschen. Sei es in der Pause einer Schulung oder im Vorraum des Theaters: Introvertierte Menschen stehen meist am Rand und sehr selten mitten im Getümmel. Weil sehr nach außen hin orientierte Menschen das nicht nachvollziehen können – sie selbst würden hier ganz anders agieren – führt diese Situation zu Interpretationen wie:
- Wer abseits steht, möchte sich nicht unterhalten.
- Wer abseits steht, hat keinen Spaß an der Veranstaltung.
- Wer abseits steht, ist ungesellig und unfreundlich.
Diese Spirale dreht sich immer weiter und führt am Ende oft zur negativen Auslegung des Intro-Verhaltens. Aus der Extro-Perspektive ist das durchaus nachvollziehbar, deshalb ist es so wichtig, hier beide Seiten der Mentalitäten anzusehen.
Wie Introvertierte die Situation sehen:
Aus der Intro-Perspektive ist das für den sehr extravertierten Menschen merkwürdige Verhalten völlig normal. Denn sie ordnen die Situation völlig anders ein:
- Wer abseits steht, kann sich besser unterhalten.
- Wer abseits steht, ist in der Lage, sich ganz auf seinen Gesprächspartner zu konzentrieren.
- Wer abseits steht, wird nicht von anderen Gesprächen abgelenkt.
Da leise Menschen äußere Reize verstärkt wahrnehmen, suchen sie bewusst eine Umgebung auf, in der sie diesen Reizen so wenig wie möglich ausgeliefert sind, Am Ende ist es also sogar ein Zugeständnis an den eigenen Gesprächspartner, wenn der Austausch eher abseits geschieht und keine Ablehnung des Gesprächs an sich. Denn etwas abseits können sich introvertierte Menschen deutlich besser auf das Gespräch konzentrieren und den Abend letztlich auch selbst mehr genießen.
2. Situation: Warum beteiligt sie sich nicht an der Diskussion?
Die zweite Situation, die häufig für Missverständnisse sorgt, ist die gemeinsame Diskussion, beispielsweise innerhalb eines Team-Meetings. Zwar beteiligen sich auch leise Menschen, in der Regel sprechen aber vor allem die extrovertierten der Gruppe und die Introvertierten hören mehr zu. Das führt zu folgenden Missverständnissen auf der Extro-Seite:
- Wer nichts sagt, hat keine Lust auf das Thema.
- Wer nichts sagt, stiehlt sich aus der Verantwortung.
- Wer nichts sagt, hat keine Meinung.
Weitergesponnen führen diese Interpretationen dann erneut zu einem negativen Gesamturteil. Möglicherweise dazu, der zurückhaltende Intro hätte schlichtweg keine Lust selbst auch was einzubringen, sei faul oder teilnahmslos.
Wie Introvertierte die Situation sehen:
Ganz anders sehen Introvertierte solche Zusammenkünfte und ihr eigenes Verhalten in der Situation:
- Wer nichts sagt, wägt noch das Für und Wider ab.
- Wer nichts sagt, möchte fundierte Wortmeldungen einbringen und denkt noch über diese nach.
- Wer nichts sagt, möchte nichts wiederholen, was schon gesagt wurde.
Introvertierte Menschen denken in der Regel lange nach, bevor sie eine Wortmeldung machen. Das liegt daran, dass sie ihren Inhalten Substanz (eine der zehn größten Intro-Stärken, siehe auch hier) geben möchten und diese erst nach einer ausführlichen inneren Überprüfung zur Diskussion stellen. Außerdem neigen sie dazu, bereits geäußerte Meldungen nicht noch einmal zu wiederholen, weil es für sie unsinnig ist, bereits gesagte Dinge noch einmal zu erwähnen. Sie beteiligen sich also durchaus, nur läuft ihre Beteiligung zum Großteil in ihnen selbst ab und nur ein kleiner Teil wird nach draußen gebracht. Bei Extrovertierten ist es genau andersrum und das Intro-Extro-Missverständnis deshalb vorprogrammiert.
3. Situation: Warum zieht sie sich so zurück?
Grillen mit Kollegen, Frühstück bei Bekannten – Extrovertierte schätzen solche Treffen meist sehr, denn der gegenseitige Austausch gibt Ihnen Energie. Auch leise Menschen können ihre Kollegen durchaus schätzen, sind bei Freizeitaktivitäten nach der Arbeit aber dennoch verhalten. Extros sehen dies dann oft kritisch und fühlen sich persönlich abgelehnt. Sie schlussfolgern:
- Wer nicht mitkommt, mag mich nicht.
- Wer nicht mitkommt, ist unhöflich.
- Wer nicht mitkommt, will keinen Kontakt.
Am Ende bekommt der introvertierte Kollege den Stempel “seltsam” oder “einzelgängerisch”. Dabei hat er oder sie gute Beweggründe so zu handeln. Hinter eine Absage stecken meist ganz elementare Grundbedürfnisse des Intros.
Wie Introvertierte die Situation sehen:
- Wer absagt, hat Zeit für sich.
- Wer absagt, kann Energiereserven auffüllen.
- Wer absagt, tankt Kraft für den nächsten Tag.
Keine Spur von persönlichen Antipathien! Dass introvertierte Menschen nach einem ganzen Tag Kontakt mit den Kolleginnen und Kollegen nicht auch noch den Abend mit diesen verbringen möchte, liegt schlicht und einfach am Energiehaushalt leiser Menschen. Denn im Gegensatz zu den extrovertierten Vertretern, füllen sie ihre Reserven durch Ruhe und Alleinsein wieder auf. Tun sie das nicht, sind sie am nächsten Tag ausgelaugt und wenig effizient. Und das käme der Arbeit letztlich auch nicht zugute.
Intros und Extros sind also einfach unterschiedlich, nicht besser oder schlechter. Wenn du mehr zu den Hintergründen der beiden Energiehaushalte erfahren möchtest, lies dir diesen Beitrag im Blog durch und erfahre, ob du in Sachen Energiehaushalt eher Extro oder Intro, eher Windrad oder Solarzelle bist. Und teile natürlich gerne mit Extrovertierten in deinem Umfeld, die sich über eine Erklärung dieser drei Dauerbrenner-Situationen freuen oder Intros, die sich endlich bestätigt fühlen wollen, weil sie ganz normal und richtig sind, so wie sie sind. Wenn wir Stück für Stück gegenseitiges Verständnis schaffen können, brauchen wir künftig keine Fehlinterpretationen mehr, die doch nur beide Seiten nerven.
Liebe Sonja,
toll, wie Du diese drei häufigsten Missverständnisse auf den Punkt gebracht hast und neben der Introvertierten-Sicht auch die Extrovertrierten-Sicht eingebracht hast.
Vielen Dank für diesen tollen Beitrag,
Deine Heidemarie
Hallo Heidemarie,
danke dir für deinen liebenKommentar! 🙂 Die Extro-Sicht macht auch uns Introvertierten bewusst, dass man Dinge auch anders sehen kann und hilft hoffentlich beim Aufbau von mehr gegenseitigem Verständnis. 🙂
Liebe Grüße
Sonja